Gestern Abend, noch die diffuse Idee, dass ich eigentlich die Tage beim
Libre Software Meeting in Nancy vorbei schauen wollte, aber noch nichts geplant, nicht angemeldet, so gut wie keine Infos. Die Internetauskunft der Bahn befragt, welche Verbindungen mich denn nach Nancy bringen. Es gab jede Menge mit ganz viel Umsteigen und ewigen Fahrtzeiten und ziemlich genau zwei in Frage kommende komfortable, eine um 5h und eine wieder um 12h. Das entsprach ungefähr überhaupt nicht meinen Plänen (die wären irgendwas zwischen 9 und 10 gewesen), der 12h würde bedeuten, dass ich erst am späten Nachmittag eintrudle und vermutlich kaum noch Programm mitbekommen würde.
Bei der Hotelsuche stellte ich fest, dass sich sowas zwar heutzutage sehr gut mit Google Maps finden lässt, dass aber die Hotels, wenn sie denn online buchbar sind, eine Kreditkartennummer wollen. Um diese Zeit war ein Hilfe suchender Anruf bei kreditkartenbesitzenden Menschen eher nicht denkbar.
So langsam reifte in mir die wagemutige Idee, doch den 5 Uhr-Zug zu nehmen, was angesichts meines Wachheitszustandes fast zwangsweise mit einer schlaflosen Nacht verbunden war. So wäre ich um circa halb acht in Nancy, um 9 fängt das Programm an, somit dürfte das hinhauen, mir vorher ein Hotel im Umkreis zu suchen. Ich suchte mir die Adressen, ungefähren Preise und Telefonnummern der in der Umgebung der Henry Poincare Universität (Poincare hat irgendwas mit vierdimensionalen Kugeln erforscht, eines der afaik gelösten Millionenprobleme) gelegenen null bis ein Sterne-Hotels.
Nun gestaltete sich das mit dem Zugfahren etwas weniger trivial, als man das üblicherweise gewohnt ist. Einerseits begrüßte mich die Fahrplananzeige mit der Ankündigung einer 35-minütigen Verspätung. Desweiteren handelte es sich um einen Nachtzug, für selbigen benötigt man eine Reservierung (behauptet zumindest das Internet und der Fahrkartenautomat). Der Fahrkartenautomat war jedoch der Meinung, dass er auf das Reservierungssystem nicht mehr zugreifen könne. Ein von mir gefragter, unmotiviert wirkender Bahnmitarbeiter meinte, der Zug sei voll, ich könne halt versuchen, beim Schaffner zu fragen, ob noch irgendwo Platz sei (Hint: Glaub niemals einem unmotivierten Bahnmitarbeiter um halb 5 morgens).
Ein Moment des Schreckens, als der Zug wenige Minuten nach offizieller Abfahrt nicht mehr auf der Anzeigetafel stand: Haben sich die 35 Minuten eben auf null reduziert und ich den Zu g verpasst? Auf den Bahnsteig, dort ebenso keine Anzeige, aber noch einige wartende Fahrgäste. Nach kurzer Zeit dann die Beruhigung, die Anzeige sprang wieder an und verkündete die Verlegung auf Gleis 13.
Ziemlich genau 35 Minuten zu spät (beeindruckend, wie genau die Bahn ihre Verspätungen berechnet) fuhr der Zug also ein, der Schaffner meinte mit fester Überzeugung »Für diesen Zug brauchen sie eigentlich nie eine Reservierung« (ja sag das mal jemand dem Fahrkartenautomat und dem unmotivierten Menschen am Informationsschalter) und ganz offensichtlich war auch noch mehr als genug Platz (dafür umso weniger Luft) vorhanden. Nun ist das mit internationalen Verkehrsmitteln ja immer etwas schwierig für die Bürokratie, weswegen mir fraglicher Schaffner auch nur eine Karte bis Kehl verkaufen konnte. Selbiges führte jedoch interessanterweise dazu, dass ich mit einer deutschen und einer französischen Fahrkarte um circa 10 EUR günstiger fuhr als geplant.
In Kehl teilte dann der Schaffner den teilweise erbosten Fahrgästen mit, dass der Zug heute nur bis Straßburg fahre und wir um kurz vor 8 (1,5 h später) den nächsten nehmen sollen. Nun neige ich dazu, unmotivierten Schaffnern genauso wenig wie unmotivierten Informationsschalterstehern zu glauben, insofern galt mein erster Blick in Straßburg dem Fahrplan, der mir dann auch gleich 6:45 Nancy mitteilte - es war 6:41. Bedauerlicherweise ohne die Angabe eines Gleises (ist das in Frankreich üblich?), welche ich jedoch an einer Digitalanzeige finden konnte.
Ich hatte zu dem Zeitpunkt ja noch keine französische Fahrkarte, also flugs der vor dem Zug stehenden Schaffnerin zu vermitteln versucht, dass ich keine hätte und ob ich sie bei ihr kaufen könne. Trotz quasi kompletter Sprachdivergenz (mein Französisch tendiert trotz inzwischen drei Kursen immer noch stark gegen 0, sie verstand offenbar keinerlei Englisch oder Deutsch) erwarb ich eine Fahrkarte Straßburg-Nancy und konnte ihr gar vermitteln, dass die hübsche weiss-rote Karte mit der großen 50 drauf mich zu einer Ermäßigung berechtigt.
Nun sitze ich in einem gemütlichen, fast leeren Zug, schreibe dies und frage mich, wann sich mir die nächste Gelegenheit bieten wird, die Internetwelt an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.