Das Bundesverfassungsgericht hat heute
entschieden. Die Vorratsdatenspeicherung, in ihrer jetzigen Form, ist Geschichte. Das ist natürlich erstmal erfreulich. Die völlig verdachtlose Speicherung aller Verbindungsdaten von Telefonen, E-Mails, SMS und Internetzugänge ist mit sofortiger Wirkung gestoppt und bereits erhobene Daten müssen gelöscht werden.
Leider ist das nicht die ganze Geschichte. Denn das Gericht sagt glasklar, dass es nichts grundsätzlich gegen die pauschale Datenspeicherung und damit pauschale Verdächtigung aller Menschen hat. Es legt nur enge Grenzen fest, in denen diese stattzufinden hat. Inwiefern das mit dem Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung vereinbar sein soll, bleibt wohl das Geheimnis des Gerichts.
Richtig große Bauchschmerzen bekommt man aber bei einem weiteren Punkt: Das Verfassungsgericht stellt fest, dass für den Datenabruf nur schwere Straftaten in Frage kommen, meint aber, dass dies ausdrücklich nicht für IP-Adressen gilt. Hier soll sogar eine Ordnungswidrigkeit ausreichen, es müsse lediglich eine gesetzliche Bestimmung dazu geben. Heißt also ganz konkret:
Datenschutz zweiter Klasse für Internetnutzer. Die Begründungen dafür, die ich bisher gelesen habe, erscheinen mir ziemlich abstrus und unverständlich (die
taz hat etwas dazu). Der wirkliche Grund scheint ziemlich klar: Man will ein
Lex Musikindustrie auf Basis der Vorratsdaten weiterhin zulassen. Das halte ich für wirklich erschreckend, denn dass sich kaum verhohlen das oberste Gericht Lobbyinteressen beugt, hätte ich so nicht für möglich gehalten. Der deutsche IFPI-Ableger
freut sich schonmal vorsorglich.
Was bedeutet das Urteil nun politisch? Spannend ist ja erstmal, dass der Gesetzgeber nun aktiv werden muss. Das Gericht hat zwar theoretisch eine Vorratsdatenspeicherung unter anderen Vorzeichen erlaubt, aber es bleibt ja dem Gesetzgeber überlassen, ob er dies umsetzt oder bleiben lässt. Die FDP hat sich im Wahlkampf ziemlich deutlich gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Eine Verabschiedung gegen die FDP (durch SPD und CDU) wäre zwar möglich, aber sehr unwarscheinlich. Die FDP kann hier beweisen, dass es ihr mit Bürgerrechten ernst ist.
Weiterhin erfreulich ist, dass auch die EU-Richtlinie immer stärker unter Beschuss gerät. Einige Länder weigern sich im Moment, die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, in anderen gab es ebenfalls Gerichtsentscheidungen dagegen (Schweden, Österreich, Ungarn, Irland, Rumänien). Und auch auf
EU-Ebene gibt es stimmen, die die entsprechende Richtlinie lieber wieder kippen würden.