Am Wochenende beschloss die Linkspartei einen Programmtext, in dem sie forderte, alle Drogen - darunter auch sogenannte "harte" Drogen wie Heroin oder Crack - zu legalisieren. Ziemlich viele Leute fanden das wohl keine gute Idee, wobei die sich meistens nicht die Mühe machen, irgendwelche Argumente vorzubringen.
Wozu auch? Wer sowas fordert, muss verrückt sein. Oder? Das sah auch die Führungsspitze der Linkspartei so und brachte noch auf dem selben Parteitag - erfolgreich - einen späten Änderungsantrag ein, der
die Sache wieder relativierte. Man sei jetzt nur noch für eine »kontrollierte Abgabe«.
Dass es scheinbar für allzu viele als absolut selbstverständlich gilt, die Forderung nach einem Ende der Prohibitionspolitik für verrückt zu erklären - so selbstverständlich, dass es Argumente gar nicht mehr benötigt - ist bedauerlich. Deswegen möchte ich mich mal bemühen, das wichtigste geradezurücken.
Die härteste Droge ist Alkohol
Es lohnt sich ja gelegentlich, sich den aktuellen Stand der Wissenschaft zu vergegenwärtigen, wenn man über etwas diskutiert. Vielleicht bin ich da etwas naiv, aber ich denke Fakten sind einer Diskussion meist zuträglich.
Eine Studie zum Thema wurde etwa im November 2010 im britischen Fachjournal "The Lancet" veröffentlicht - ein Update einer vorigen Untersuchung von 2007. Hier
gibt's einen Artikel des Guardian dazu. Darin versuchen die Autoren, die Gefährlichkeit verschiedener Drogen anhand von Kriterien einzusortieren und vergeben Punkte (mehr Punkte = Droge gefährlicher). In der Spitzengruppe rangieren Alkohol (72), Heroin (55) und Crack (54). Nicht uninteressant ist auch die restliche Einschätzung, die nicht gerade dem entspricht, was man allgemein denkt: Meth (33), Kokain (27), Tabak (26), Speed (23), Cannabis (20), GHB (18), Benzodiazepine (15), Ketamin (15), Methadon (13), Butane (10), Kath (9), Ecstasy (9), Annabolika (9), LSD (7), Buprenorphin (6) und Zauberpilze (5). Auffällig ist etwa, dass die Autoren Cannabis für gefährlicher als Ecstasy und LSD halten.
Die Studie ist übrigens kein Ausreisser - eine
ähnliche Studie wurde etwa 1998 von der französischen Regierung in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse unterscheiden sich zwar in der Einschätzung der "harmloseren" Drogen - anders als die Lancet-Studie sah man damals etwa die Gefahren von Cannabis als deutlich geringer an. Aber auch hier schätzte man Alkohol als eine der gefährlichsten Drogen ein.
Wenn also irgendjemand fordert, man müsse "harte" Drogen weiterhin verbieten und nur "weiche" Drogen legalisieren - Alkohol gehört in jedem Fall zu den "Harten". Nun fordert niemand ernsthaft das Verbot von Alkohol. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts probierten dies bekanntlich einige Staaten - unter anderem die USA.
Alkohol ist die mit Abstand am meisten und am selbstverständlichsten konsumierte Droge in unserer Gesellschaft. Keinen Alkohol zu trinken gilt als sonderbar (Randbemerkung: Ich trinke nahezu nie Alkohol - ich hab damit also Erfahrung).
Der Drogenkrieg kostet Menschenleben
Einer der blutigsten Konflikte auf der Welt ist zur Zeit der Drogenkrieg von Mexiko - obwohl dieser in den Medien kaum vorkommt. Seit einigen Jahren versucht die mexikanische Regierung massiv - mit Unterstützung der USA - Drogenproduktion und Handel mit Gewalt einzudämmen. Die LA Times berichtet von
über 34.000 Toten zwischen 2006 und 2010. Das sind mehr als im
Afghanistankrieg (wobei man bei dem Vergleich anmerken muss, dass natürlich auch im Afghanistankrieg Drogen eine Rolle spielen).
Man könnte noch mehr sagen. Etwa dazu, dass die meisten Drogentoten nicht an den Substanzen selbst, sondern an den Umständen (Verarmung, verunreinigte Drogen, Überdosierung mangels Informationen, AIDS durch gebrauchte Spritzen etc.) sterben. Dazu, dass es an anderer Stelle als selbstverständlich gilt, erwachsenen Menschen die Freiheit zuzugestehen, Risiken auf sich zu nehmen (ungesunde Ernährung, Extremsportarten). Heroin zu verbieten ist genauso plausibel wie das Verbot ungesunder Ernährung (mal wieder die unangenehmen Fakten: an letzterem sterben viel mehr Menschen).