Was ist der Sinn einer Zeitungsschlagzeile? Üblicherweise würde man wohl sagen, eine Zeitungsschlagzeile dient dazu, Neuigkeiten zu verkünden. Welche Form diese hat, wie reißerisch, wie wichtig das Ereignis etc., soll hier mal außer acht bleiben. Aber dass eine Zeitungsschlagzeile prinzipiell etwas "Neues" vermitteln sollte, ist wohl im allgemeinen Sinn der Sache. Weil das Zweck einer Zeitung ist. Wenn heute in der Zeitung stünde "Rot-grün regiert zum zweiten mal in Deutschland", würde man sich warscheinlich wundern, grübeln und sich fragen, was eine Nachricht, die über zwei Jahre alt ist, dort zu suchen hat.
Nun, ich bin da heute etwas desillusioniert worden, als ich zufällig beim Einkaufen die Schlagzeile der Süddeutschen Zeitung gesehen habe. "In Guantanamo wurde gefoltert" (kann das jetzt nicht garantieren, dass das wortwörtlich so dastand, aber zumindest der Sachverhalt).
Da ich mich nun schon seit längerem vorzugsweise über Blogs, Indymedia und andere Newsseiten auf dem laufenden halte, bin ich meist nicht wirklich drüber informiert, was in den konventionellen Medien Thema ist. Es lässt einen aber doch schwer zweifeln, wenn es fast drei Jahre dauert, bis eine Nachricht dort ankommt.
Der
erste Bericht auf Indymedia, den ich gefunden habe, ist vom 22.1.2002, der
erste auf Telepolis vom 20.1.2002.
Klar, das ist ja nur linke Propaganda. Das braucht unsere "freie Presse" nicht ernstnehmen. Und wenn sie's dann drei Jahre später bemerken, dass da vielleicht doch was dran war, braucht man das ja nicht zu erwähnen, dass man es JAHRE VORHER hätte wissen können.
Kleine Anmerkung: Dass ich hier die Süddeutsche ausgewählt hab, ist reiner Zufall, weil mir das wirklich da aufgefallen ist. Mir ist klar, dass die Süddeutsche im Vergleich zum sonstigen Blätterwald der deutschen Presse warscheinlich noch eins der hochwertigeren Blätter ist (was angesichts des Zustands der üblichen Presseorgane wahrlich keine Auszeichnung darstellt).
Das Ereignis ist auch eher willkürlich und hätte durch viele andere ersetzt werden können und nur deshalb spannend, weil man Jahre später plötzlich das indirekte Eingeständnis des eigenen Scheiterns präsentiert (was vermutlich daran liegt, dass es vor drei Jahren halt noch nicht hipp war, gegen die USA zu sein, weil man ja noch selber beim "Krieg gegen den Terror" mitgemacht hat). Es ist erstaunlich, wie gleichgeschaltet die Presse heutzutage agiert und was alles todgeschwiegen wird.
Vielleicht lesen wir in 5 Jahren mal, dass in Kolumbien Gewerkschaftsmitglieder bei Coca-Cola und Nestle von Paramilitärs umgebracht werden, dass Shell in Nigeria nach wie vor Menschen für Öl umbringt oder irgendwann vielleicht sogar, dass der Kosovo-Konflikt erst durch die finanzielle Unterstützung der UCK durch Deutschland eskaliert ist (wiederum nur eine Willkürliche Auswahl von ereignissen, die in der "freien Presse" bisher keinen Platz fanden). Wissen könnte man es schon heute.