Es ging durch die Medien, ein 23-jähriger Anti-Atom-Aktivist in Frankreich wurde vom Castor-Transport überrollt, er starb kurze Zeit später an seinen Verletzungen.
Ich stand am Sonntag mit einigen weiteren Aktiven in Maximiliansau (liegt an der Castor-Strecke), darauf gefasst, einen weiteren Castor-Zug durchrollen zu sehen, vielleicht vorher auf die Schienen zu kommen und ihn ein paar Minuten aufzuhalten. Um ein Zeichen zu setzen, dass auch unter rot-grün Atomkraft tödlich bleibt und dass es weiterhin notwendig ist, Widerstand zu leisten, um darauf aufmerksam zu machen, dass das Thema gerade wieder aktuell ist, da in Finnland und Frankreich neue AKWs gebaut werden sollen.
Es kam alles ganz anders. Als wir die schreckliche Nachricht erfuhren, verbreitete sich Ratlosigkeit, Zweifel, Resignation.
Nun, ein paar Tage später stellt sich Wut ein. Auf die Medien, die uns jetzt alle für völlig bekloppt halten, die fragen, ob das gerechtfertigt sei (nein, der Tod eines Menschen ist nie gerechtfertigt), die aber nie Fragen stellen, wenn eine neue Statistik über Leukämieerkrankungen um Atomanlagen auftaucht, die Störfälle als Nebensächlichkeit behandeln und für die die Toten, die der Atomstaat täglich hinterlässt, meist keine Zeile wert sind. Medien, die vor keiner Lüge zurückschrecken, wenn es darum geht, die Anti-Castor-Bewegung zu diskreditieren.
Wütend auch auf Polizisten, die es trotz der Situation für nötig halten, anlässlich einer Trauerkundgebung vor dem Karlsruher Hauptbahnhof Menschen zu schikanieren, weil sie sich "unzulässigerweise" zu dritt im Bahnhofsgebäude aufgehalten haben (und damit eine verbotene Versammlung darstellen). Wütend, zu lesen, dass es bei den Räumungen im Wendland wieder zu vielen Verletzten kam.
Wie konnte das passieren? Danach fragt leider fast niemand. Ich kenne viele Menschen, die selbst schon derartige Aktionen durchgeführt haben. Ich habe sie als sehr besonnene Aktivisten erlebt, für die ihre eigene und die Sicherheit des Transports immer an erster Stelle steht. Die sich niemals vor einem Zug anketten würden, wenn dieser nicht gewarnt worden wäre. Ein
Artikel auf telepolis bemüht sich zumindest, die Hintergründe aufzuklären. Aber viele Fragen bleiben offen: Haben die Aktivisten grob fahrlässig gehandelt? Oder fuhr der Zug einfach weiter, obwohl er gewarnt wurde? Der Atomstaat geht über Leichen, das wissen wir schon lange, in Frankreich kamen schon mehrfach Anti-Atom-Aktivisten ums Leben (1977 starb Michel Vitalon bei Auseinandersetzungen mit der Polizei am geplanten Schnellen Brüter in Malville, 1985 wurde das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" vom französischen Geheimdienst versenkt, ein Journalist starb hierbei).
Wie geht es jetzt weiter? Ich denke, das dümmste, was man jetzt tun kann, ist zu resignieren, aufzuhören. Das wäre sicher nicht im Sinne des verstorbenen. Wir müssen weiter kämpfen, für eine Welt, in der Menschen mehr wert sind als Profite, in der Todestechnologien wie die Atomkraft der Vergangenheit angehören.
In Gedenken an Sebastian Briat, verstorben am 7. November 2004, im Kampf gegen eine tödliche Technologie.